Provenienzforschung
Spurensuche
Das Wissen um die Herkunft eines Kulturgutes, seine sogenannte „Provenienz“, ist von großer Bedeutung für heutige Eigentumsverhältnisse. So kann eine lückenlose Rekonstruktion der Besitzverhältnisse seit Entstehung des jeweiligen Werkes seine Authentizität beweisen oder in Frage stellen. Die Herkunft verknüpft zudem die Objektbiografie mit den Biografien ehemaliger Eigentümer:innen. Sie kann zum Ausgangspunkt neuer Forschungsansätze werden und zur Deutung des Objektes als Teil unseres kulturellen Gedächtnisses beitragen.
Gesellschaftlich und kulturpolitisch wächst die Nachfrage nach Informationen zur Herkunft der Werke in den öffentlichen und privaten Sammlungen. Denn während des Nationalsozialismus fanden Kulturgutverlagerungen von beispiellosem Ausmaß und Brutalität statt. Unzählige Sammlungen wurden zerschlagen und in ihren Einzelteilen weit verstreut, sei es durch Beschlagnahme, Zwangsverkäufe oder Zurücklassung bei der Flucht ihrer Besitzer:innen vor den Nationalsozialisten. Diese Güter gelangten in den Umlauf, während das Wissen über ihre Herkunft verschwiegen und später vergessen wurde. Die gezielte Forschung nach der Herkunft der Gegenstände, die vor 1945 entstanden und nach 1933 in den Bestand des LWL-Museums gelangt sind, reagiert auf diesen Missstand.
Im August 2018 startete das LWL-Museum für Kunst und Kultur mit der Förderung durch die Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste ein Projekt zur systematischen Überprüfung des Gemäldebestandes der Galerie der Moderne des Hauses, das in der Ausstellung „Eine Frage der Herkunft. Geschichte(n) hinter den Bildern“ mündete. Im Oktober 2020 ging ein zweites Projekt zu Tafeln aus dem Mittelalter und Gemälden des 16.–19. Jahrhunderts an den Start. Ab Oktober 2023 werden die kunsthandwerklichen Objekte der Sammlung des Hauses auf ihre Herkunft hin überprüft.
Grundsätze zur Suche nach NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut
Mit der Unterzeichnung der Washingtoner Prinzipien hat sich die Bundesrepublik Deutschland im Dezember 1998 dazu verpflichtet, Kulturgüter, die während des Nationalsozialismus verfolgungsbedingt entzogen wurden, zu identifizieren, deren rechtmäßige Eigentümer ausfindig zu machen und mit ihnen gerechte und faire Lösungen zum weiteren Verbleib des Kulturgutes zu finden. Zur Umsetzung dieser Verpflichtung haben der Bund, die Länder und die kommunalen Spitzenverbände im Dezember 1999 eine Gemeinsame Erklärung verabschiedet, in der sie sich zur Auffindung und Rückgabe NS-verfolgungsbedingten Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz, bekennen.
Projekt zur Kunsthandwerklichen Sammlung
Laufzeit: 1.010.2023 - 30.09.2025
Ab Oktober 2023 werden die kunsthandwerklichen Objekte der Sammlung des Hauses auf ihre Herkunft hin überprüft. Zwischen 1933 und 1998 wurden knapp 600 Objekte erworben, deren genaue Provenienz unbekannt oder verdächtig ist. Untersucht werden u. a. Möbel, Textilien, Steingut, Porzellan und Glas. Bereits in der Vorprüfung konnte für rund 50 Objekte ein dringender Verdacht festgestellt werden, während die übrigen Objekte Lücken hinsichtlich ihrer Provenienz zwischen 1933 und 1945 aufweisen.
Methodik und Umgang mit Ergebnissen
Für die Recherche wird zunächst eine „Autopsie“ des Objektes vorgenommen. Eine Übersicht der gegebenenfalls auf der Rückseite befindlichen Nummern, Zettel oder Stempel wird erstellt und diese anschließend ausgewertet. Im Idealfall finden sich hier Hinweise auf Vorbesitzer und Ausstellungen, auf denen das Objekt präsentiert worden ist. Zudem werden die Akten im Hausarchiv des Museums sowie die einschlägige Literatur konsultiert. Oftmals führt der nächste Schritt dann in nationale und internationale Archive mit beispielsweise Wiedergutmachungsakten, Künstlernachlässen und Geschäftsunterlagen von Kunsthändlern oder Privatsammlern.
Nach dem Ende der Laufzeit der Projekte werden die Ergebnisse der Recherchen als zusätzliche Informationen zu dem jeweiligen Objekt der Digitalen Sammlung zugefügt. Die Objekte, für die festgestellt werden kann, dass sie NS-verfolgungsbedingt entzogen worden sind oder die unter dem dringenden Verdacht stehen, werden der Lost Art-Datenbank gemeldet. Können die früheren Besitzer*innen bzw. deren Erben ausfindig gemacht werden, wird eine faire und gerechte Lösung im Sinne der Washingtoner Prinzipien mit ihnen verhandelt.
Abgeschlossene Projekte
Projekt 2018-2020: Gemälde der Abteilung Moderne
Projekt 2020-2023: Gemälde der Abteilungen Mittelalter und 16. bis 19. Jh.
Eine Frage der Herkunft: Was ist Provenienzforschung?
Das Wissen um die Herkunft eines Kulturgutes, seine sogenannte Provenienz, ist von großer Bedeutung. Erfahren Sie mehr zum Forschungsgebiet.
Museumsberufe: Was macht eine Provenienzforscherin?
Im Video erzählt Eline van Dijk, was ihre Arbeit als Referentin für Provenienzforschung am LWL-Museum für Kunst und Kultur ausmacht.
Provenienzforschung aufs Ohr
Audioguide
Hier können Sie den Audiorundgang zum Thema "Provenienzforschung" anhören – in der Sammlung mobil von Ihrem Smartphone, oder von zu Hause aus.
1. Einführung: Was ist Provenienzforschung?
Raum 1.10
Meister des Erlösungstriptychons im Prado, Auferstehung Christi, um 1470/80
Publikationen
Nachfolgend finden Sie die Veröffentlichungen des Museums, die sich mit der Herkunft einzelner Objekte oder der Sammlungsgeschichte und -politik beschäftigen.
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