„Hauptziel meines Strebens ist mit größtmöglicher Einfachheit, Empfindungen von Landschaft und Mensch auszudrücken.“
Otto Mueller
Otto Mueller
Otto Mueller (1874–1930) galt lange als der Romantiker unter den Expressionist:innen. Dieses Klischee, aber auch stereotype Darstellungen in seinem Werk werden 150 Jahre nach seiner Geburt neu eingeordnet und verhandelt. Dafür betrachten wir seine Menschen in der Natur, seine Badenden sowie seine Porträts.
Körper in Harmonie?
Oft werden Otto Muellers Bilder als naturverbunden, ja natürlich, beschrieben. Hinter den scheinbar unmittelbar festgehaltenen Szenen stehen dabei meist klare Kompositionen. Arme, Beine Körper sind aufeinander abgestimmt.
Was bedeutet das für die Individualität?
Zwischen Umbruch und Ausdruck
Mit der Sehnsucht nach dem Natürlichen und Ursprünglichen, mit seinen Aktmalereien, stellte sich Otto gegen die rasanten Veränderungen und gesellschaftlichen Zwänge seiner Zeit.
Die Künstlergruppe „Brücke“, der Otto von 1910 bis 1913 angehörte, bewegte sich ebenfalls in diesem Spannungsfeld. Sie lehnte die traditionelle akademische Kunst mit gestellten Posen ab und suchte nach einem unmittelbaren Ausdruck – was nicht bedeutet, dass die Kompositionen Zufall waren. Die Gruppe konzentrierte sich auf Form, Fläche und Farbe. Dabei ließ sie sich von Orten und Kulturen inspirieren, die für sie Freiheit und Natur bedeuteten. Otto fand diese Sehnsuchtsorte zum Beispiel auf Fehmarn, im Riesengebirge und im Südosten Europas. Auf der Suche nach seinem eigenen Stil studierte er jedoch zunächst klassische Vorbilder etwa der Renaissance.
Nackte, tanzende Füße erinnern an Isadora Duncan (1877–1927), die Pionierin des modernen Tanzes. Ihr Barfußtanz war ein Symbol für Freiheit und künstlerische Unabhängigkeit. Sie hat die Tanzwelt nachhaltig beeinflusst.
Welche Absicht hat er?
Venus-Vibes
Die Frau auf diesem Gemälde von Lucas Cranach d. Ä. (1472–1553) entsprach mit der zierlichen Figur auch dem Schönheitsideal des frühen 20. Jahrhunderts. Dass es Venus darstellt, wurde erst 1900 erkannt. Mueller erlebte den damit verbundenen Cranach-Boom mit und fand in den Frauengestalten ein Vorbild. Eine Reproduktion hing in Ottos Atelier. Vielleicht inspirierte ihn auch das hauchzarte Tuch.
Otto malte zunächst lasierend, also fast altmeisterlich mit übereinanderliegenden dünnen Farbschichten. Zu seinen Vorbildern zählten Renaissancekünstler wie Lucas Cranach der Ältere (1472–1553) und Tizian (1488/90– 1576). Er begann seine ersten Doppelporträts mit einer Untermalung in Eitempera und übermalte sie dann mit Ölfarbe. Laut seiner Schwester Emmy sprach er später von der Zeit, in der er „getiziant“ hat. Im Detail zeigt sich jedoch keine Feinmalerei, sondern ein modernes Kunstverständnis bei Otto.