Reisen
Zusammen mit ihrem Bruder unternimmt Annelise Kretschmer 1922 ihre erste mehrmonatige Reise nach Nordafrika. Kretschmer reist zu einer Zeit, in der Nordafrika noch unter den Kolonialmächten Frankreich und Großbritannien aufgeteilt war.
Ihre Mutter borgt ihr dafür eine Kamera. Damit entstehen auf dieser Reise frühe Fotografien. Die Motive dokumentieren eindrucksvoll ihre Begegnung mit dem anderen Kontinent. Ihre Aufnahmen zeigen Menschen vor allem in Straßenszenen, in Oasen und vor Pyramiden.
Zwei Kamelreiter vor Stufenpyramide in Nordafrika, 1922, Silbergelatineabzug, 6,3 x 11,3 cm (Repro: LWL-MKuK/Hanna Neander ©Nachlass Annelise Kretschmer, LWL-Museum für Kunst und Kultur, Münster)
Naher Osten und Nordafrika
1924 reist Kretschmer in die heutigen Länder Israel und Palästina. In ihren Fotografien hält sie in der Altstadt von Jerusalem alltägliche Szenen von Menschen auf der Straße fest. Aufgrund der Zerstörung ihres Ateliers im Zweiten Weltkrieg, existieren nur wenige Aufnahmen aus dieser Zeit, die uns ein Bild von den Eindrücken dieser Reise geben.
Jerusalem, 1924, Bromöldruck auf Papier, 25 x 15,2 cm
Bethlehem, 1924, Bromöldruck auf Papier, 23,7 x 32 cm
Zwei der in Jerusalem aufgenommenen Bilder entwickelt sie während ihrer Ausbildungszeit zusammen mit Leon von Kaenel als Bromöldrucke. Später, in ihrer Lehrzeit bei Franz Fiedler, erlernt sie die Technik selbst. Der Bromöldruck oder Bromölumdruck zählt in der künstlerischen Fotografie zu den klassischen Edeldruckverfahren. Die Arbeiten wirken sehr elegant und haben eine grafisch anmutende Ausstrahlung. Sie sind im sogenannten piktorialistischem Stil angefertigt, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts verwendet wurde, um die Fotografie als vollwertiges künstlerisches Ausdrucksmittel zu etablieren. Da die Aufnahmen einzeln mit Pinsel ausgearbeitet werden, handelt es sich um Originale, welche dann - in einem weiteren Prozess - ähnlich wie Radierplatten, zur Herstellung von Umdrucken benutzt werden können.
Bröckeldruck mit Motiven aus Nordafrika:
Nordafrika, 1922, Bromöldruck auf Papier, 35 x 43,5 cm
Nordafrika, 1922, Bromöldruck auf Papier, 23,2 x 32,5 cm
Paris
Während ihres Paris-Aufenthalts 1928 entsteht eine Bildserie, die sich deutlich von der Großstadtfotografie einer Germaine Krull oder Florence Henri abhebt. Kretschmer interessieren die Oberflächenstrukturen des Alltags. Obwohl sie als Flaneurin die Stadt erkundet, haftet ihrem Blick nichts Zufälliges an. Gezielt sucht sie in Paris nach Texturen, wie sie nur die Fotografie abzubilden vermag: Die Fassaden der Häuser, die Struktur der Treppen oder die Regentropfen auf einer Fensterscheibe entdeckt sie als visuelle Muster des Großstadtkosmos.
Paris, 1928, Silbergelatineabzug, 7,3 x 23,4 cm (Reproduktion: LWL-MKuK/Hanna Neander ©Nachlass Annelise Kretschmer, LWL-Museum für Kunst und Kultur, Münster)
Die Treppe zur Sacré-Cœur am Montmartre in Paris
1928
Silbergelatineabzug, 15 x 18,6 cm (Reproduktion: LWL-MKuK/Hanna Neander ©Nachlass Annelise Kretschmer, LWL-Museum für Kunst und Kultur, Münster)
Es sind die Oberflächenstrukturen des Alltags, wie auch in dieser Aufnahme, die Annelise Kretschmer als Fotografin interessieren. Obwohl sie als Flaneurin die Stadt erkundet, haftet ihrem Blick nichts Zufälliges an. Gezielt suchte sie nach Texturen in der urbanen Welt, wie sie nur die Fotografie darzustellen vermag. Die Stühle im Park oder der Aufbau der Treppen, das Alltägliche, entdeckt sie als visuelle Muster der Großstadt.
Kommen Sie vorbei!
Die Ausstellung ist noch bis zum 14. August zu sehen.